Eine Lehrerin im Widerstand (Elisabeth Schmitz, 1893 – 1977)

Im Herbst 1934 darf die Studienrätin für Deutsch, Geschichte und Religion am Luisenlyzeum zu Berlin die Ansprache halten „zur Bibelübersetzung“, eine der nicht wenigen eigensinnigen, selbstverantwortlichen und verantwortungsbereiten preußischen Fräulein mit ihrer bedeutenden eigenen Kultur: Dr. Elisabeth Schmitz. Man verfolgt dieses Szenario in der Zielgelstraße 12 nicht allein wegen des kulturellen Feldes Frauen-Preußen-Kirche-Bildung, sondern weil diese Lehrerin zur selben Zeit Material sammelte, um den zur Tat schreitenden Rassenwahn der Nazis und die sich Bahn brechende Verfolgung der jüdischen Bevölkerung zu dokumentieren, soweit die ihr zur Verfügung stehenden Quellen das ermöglichten. 1935-36 druckte Schmitz geheim zweihundert Exemplare einer Denkschrift „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ und reichte sie an die Bekennende Kirche, der sie sich Anfang 1934 angeschlossen hatte, weiter in der Hoffnung, dass von dort aus etwas gegen die sich anbahnende Katastrophe in Gang käme. Die Resonanz war spärlich oder gleich Null. Freilich: Allein schon dieses Projekt auf Grund fundamentaler Humanität mit (evangelisch-)christlicher Glaubenskraft stellt sie neben Elisabeth Abegg, Katharina Staritz, Elisabeth Forck und manche andere Person aus dem „Stillen Widerstand“.

Das Luisenlyzeum verlässt Schmitz 1935 zusammen mit Elisabeth Abegg unter sorgsamer Beobachtung durch Oberschulrätin Hedwig Thöne vom Provinzialschulkollegium, weil ihre kritische Haltung gegenüber dem NS-System nicht zu übersehen ist und sich erst einmal ein einfacher Ortswechsel empfiehlt, um einer gefährlichen Zuspitzung zuvor zu kommen. Abegg geht an das Rückert-Lyzeum in Berlin-Schöneberg, Schmitz an die Auguste-Sprengel-Schule in Berlin-Lankwitz. Die Denkschrift erzielt keine Wirkung; ihr Briefwechsel mit Karl Barth in Bonn bleibt eine persönliche Angelegenheit. Sie behält die Fürsorge für jüdische Bekannte, zu denen sie hält und die sie unterstützt, zum Beispiel mit Wohnung in ihrem Häuschen in Wandlitz im Umland von Berlin.

Noch im Herbst 1937 kann Schmitz an der Sprengel-Schule ein weiteres Mal die Reformationsfeier gestalten. Im darauffolgenden Schuljahr ist dann der 9. November ihr letzter Arbeitstag, an diesem regelmäßigen Erinnerungsdatum für die Opfer der Münchner NS-Bewegung von 1923. In der darauffolgenden Nacht und an Luthers Geburtstag brennen die Synagogen. Die Lehrerin scheidet auf ihren Wunsch aus dem Schuldienst aus. – Schmitz gehört inzwischen zu den „Gerechten der Völker“ im Sinne von Yad Vashem – und wird in mancher Weise für ihre Verdienste gewürdigt, wie etwa Elisabeth Abegg, Marga Meusel, Margarete Sommer und viele andere.

>>> Publ. 20, 19

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


*